Der kontinuierliche Anstieg der Fallzahlen im Bereich der häuslichen Gewalt führte dazu, dass im Juli letzten Jahres die zentrale Bearbeitung der häuslichen Gewalt in der Kriminaldirektion zusammen mit einem Gefährdungslagenmanagement projektiert wurde. Das Pilotmodell war Gegenstand der vergangenen Pressekonferenz zur PKS 2023 und ist seit dem 1. Februar 2025 ein fest implementierter Teil des Gewaltschutzkommissariats.
Das maßgebliche Ziel dieses Kommissariats ist es, noch frühzeitiger als bisher Hochrisikofälle zu detektieren und durch polizeiliche Maßnahmen das Risiko einer schweren Gewalttat abzuwehren. Neben der intensiven Betreuung des Opfers steht hierbei der Aggressor als Risikofaktor im Fokus.
Um dem Phänomen der häuslichen Gewalt ganzheitlich, also auf repressiver und präventiver Ebene, gezielter zu begegnen, finden Gefahrenabwehr, Ermittlungen und Prävention in enger Zusammenarbeit mit externen Behörden und Institutionen statt. So ist die Intensivierung der Bekämpfung häuslicher Gewalt und der aktive Schutz von Opfern noch besser möglich.
Jeder einzelne Fall durchläuft eine Risikobewertung durch das Gefährdungslagenmanagement, welche eine Bandbreite an Maßnahmen wie Gefährderansprachen, Platzverweise und polizeilichen Wegweisungsverfügungen bis hin zu mehrtägigen Ingewahrsamnahmen zur Folge haben kann. Mittlerweile ist auch der Einsatz der elektronischen Fußfessel möglich, um eine polizeiliche Wegweisungsverfügung zu überwachen und die Opfer noch wirksamer zu schützen.
"Häusliche Gewalt gehört zum Alltag vieler Frauen in Frankfurt am Main und ist die häufigste Ursache von Verletzungen bei Frauen. Für Frauen ist das Risiko, durch einen Beziehungspartner Gewalt zu erfahren, weitaus höher, als von einem Fremden tätlich angegriffen zu werden. Bildung, Einkommen, Alter und Religionszugehörigkeit spielen hierbei keine Rolle", so Viktor Lekic.
Nach der kontinuierlichen Steigerung der Fallzahlen über die vergangenen Jahre stellt sich im Jahr 2024 in etwa der Vorjahreswert ein. Dieser beträgt 2.060 Fälle. Gut 80 % der Opfer sind Frauen (78,8 %) und die Täter im selben Anteil Männer (79,0 %).
Die Leiterin der Koordinierungsstelle Gewaltschutz, Frau Gerstendorff erläuterte, dass unter der häuslichen Gewalt ein breites Feld an Straftaten subsumiert wird. Dabei handelt es sich um Delikte wie beispielsweise Körperverletzung, Stalking, Bedrohung und Sexualdelikte bis hin zum Tötungsdelikt.
Der Großteil der Straftaten umfasst Körperverletzungsdelikte (1.466 Fälle / 71 %), gefolgt von Bedrohungen (271 Fälle / 13 %), Nachstellung (93 Fälle / 5 %) sowie Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (44 Fälle / 2 %).
"Um die abstrakten Zahlen etwas greifbarer zu machen: Wenn ich Freitagnachmittag mein Büro verlasse und es am Montagmorgen wieder betrete, liegen zwischen 20-30 neue Fälle häuslicher Gewalt auf meinem Schreibtisch, wobei die Dunkelziffer in diesem Deliktsfeld sehr hoch ist.", führt Lekic weiter aus.
Die Dunkelfeldschätzungen belaufen sich auf 75 % und höher, da Taten sehr oft nicht angezeigt werden. Deshalb ist es auch ein wichtiges Ziel, das große Dunkelfeld weiter zu reduzieren.
Anhand eines anonymisierten Echtfalles zeigte Frau Gerstendorff zunächst auf, welche Gewaltspirale sich entwickeln kann und welch ein Martyrium Frauen und Familien durchleben müssen. Im Anschluss stellte sie vor mit welchen Maßnahmen erfolgreich gegen einen solch gewalttätigen Familienvater vorgegangen werden konnte. Hilfreich war in diesem Fall auch die Novellierung des § 31a HSOG, wonach es nun möglich ist, den Aufenthalt von Tätern elektronisch zu überwachen (Fußfessel).
"Die häusliche Gewalt ist kein plötzlich auftretendes Familiendrama, sondern vielmehr ein Prozess immer wiederkehrender, sich teilweise steigernder Gewalt in der Familie", so Frau Gerstendorff. "Die Folgen häuslicher Gewalt sind fatal.
Sie sind sowohl akut als auch langfristig, und physischer und psychischer Natur.
Neben den unmittelbaren physischen Verletzungen sind Betroffene häuslicher Gewalt langfristig traumatisiert. Häusliche Gewalt findet im eigenen Zuhause statt, aber dort bleibt sie nicht. Sie verursacht nicht nur Leid für die Betroffenen, sondern sie ist ein gesamtgesellschaftliches Problem", fasste die Ermittlerin zusammen.
Deshalb erfolgte in Frankfurt am Main der Aufbau eines Gewaltschutzkommissariats mit dem Ziel, Hochrisikofälle schnell und sicher zu detektieren und durch polizeiliche Maßnahmen das Risiko einer schweren Wiederholungstat zu minimieren.
Knapp 40 qualifizierte Ermittlerinnen und Ermittler bearbeiten nunmehr an einer Stelle Fälle häuslicher Gewalt sowie Sexualdelikte. Dadurch erreichen wir qualitativ hochwertigere und zügigere Ermittlungen. So können wir wirkungsvoller gegen die Täter vorgehen und die Opfer, insbesondere Frauen, noch besser schützen und ihnen gezielte Hilfe zukommen lassen", so Gerstendorff weiter.