Vom Militärgelände zum HPT

Das Gelände, auf dem die Gebäude des Hessischen Polizeipräsidiums für Technik stehen, blickt auf eine lange und bewegte militärische Vorgeschichte zurück. Angefangen hat alles in der Kaiserzeit.

Die Anfänge zu Kaisers Zeiten

Das Gelände, auf dem die Gebäude des Hessischen Polizeipräsidiums für Technik (HPT) mit der Anschrift Willy-Brandt-Allee 20 stehen, blickt auf eine lange und bewegte militärische Vorgeschichte zurück. Angefangen hat alles in der Kaiserzeit, wie den Unterlagen der Polizeiverwaltung der ehemaligen Stadt Biebrich zu entnehmen ist.

Das Kasernengelände für den ersten Bauabschnitt lag an der Schiersteiner Straße/Ecke Waldstraße. Um 1897 gehörte diese Fläche der damals noch selbstständigen Stadt Biebrich am Rhein, wobei sich die Wiesbadener Stadtgrenze kontinuierlich näherte. Man muss sich das rapide Wachstum der heutigen Landeshauptstadt Hessens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor Augen führen: Lebten 1866 noch 25.000 Menschen in Wiesbaden, so verzeichnete die Stadt 1897, also 31 Jahre später, bereits etwa 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner.

Kommandeur Lölhöffel von Löwensprung

Fertiggestellt wurden die heutigen HPT-Gebäude im Frühjahr 1897. Kommandeur des neuen Stützpunkts war ein Offizier mit dem auch für damalige Verhältnisse eher ungewöhnlichen Namen Lölhöffel von Löwensprung. Die Kaserne, wie auch das dort teilweise stationierte Kurhessische Füsilierregiment Nr. 80, bekam ihre Namen nach dem im Krieg 1870 bei Sedan tödlich verwundeten preußischen Divisionskommandeur Hermann Konstantin von Gersdorff. Noch vor dem „Antrittsbesuch“ von Kaiser Wilhelm II. am 2. April 1897 war dann auch das zweite Infanteriebataillon der 80er bereits einquartiert worden.

Der Lazarettbau

Auch nach dem Sprung ins 20. Jahrhundert wuchs Wiesbaden ungebremst, die expandierende Stadt brauchte dringend Bauland. Aus diesem Grund wurden im Jahre 1910 die Infanteriekaserne an der Schwalbacher Straße und die Artilleriekaserne an der Rheinstraße geräumt. Die dort stationierten Soldaten zogen nach dem weiteren Ausbau der Gersdorffkaserne auf das dortige Gelände zwischen Schiersteiner, Wald-, Homburger Straße und der heutigen Willy-Brandt-Allee, damals noch Gersdorffstraße. Dieser militärische Komplex umfasste zum damaligen Zeitpunkt 13 Gebäude, aber noch kein Krankenhaus. Dieses wurde gerade gebaut, genauer: im nördlichen Teil des Geländes – in dem Teil, der heute überwiegend vom HPT genutzt wird.

Mit dem Lazarett wurde ein neuer, den damals aktuellsten medizinischen Erkenntnissen entsprechender Trakt für 61 Patienten geschaffen. Konkret wurden die medizinischen und chirurgischen Behandlungen der Patienten in getrennten Häusern vorgenommen; die Verwaltungs- und Wirtschaftsräume waren separat untergebracht. Die Krankenzimmer lagen meistens in Richtung Garten (heute Grünanlagen) und erhielten dadurch Südwest- beziehungsweise Südostlicht. Bei der Errichtung der Krankengebäude wurde darauf geachtet, dass sie mindestens zehn Meter von der Straße entfernt standen.

Zum Exerzieren und zum Spielen

Zurück zur Entwicklung des gesamten Kasernenkomplexes: Wir erinnern uns: Die ersten Kasernengebäude wurden im April 1897 bezogen. Weitere Gebäude entstanden 1908/1909 und dann zwischen 1909 bis 1911. Die damalige Kaserne galt für viele Wiesbadener durchaus als Ausflugsziel. So konnten sie die Soldaten beobachten, wenn sie auf dem „Exert“, wie der Exerzierplatz im Volksmund hieß, ihre Übungen absolvierten.

Das Areal wurde übrigens nicht nur vom Militär für Übungen, sondern auch von Kindern als Spielplatz und den Müttern als Treffpunkt für das eine oder andere Schwätzchen genutzt.

Zwischen den Kriegen

Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, leerte sich am 7. August die Kaserne: Das erste und zweite Bataillon des Füsilierregiments Nr. 80 zogen an die Front. Von diesem Regiment kehrten fast 16.000 Soldaten nicht wieder zurück. Bei Kriegsende 1918 kam für das Gersdorffregiment das Aus. Nun bezogen Einheiten der französischen Armee die Kaserne, die wiederum 1925 von der britischen Rheinarmee abgelöst wurde. Außer den Namen – die Franzosen gaben ihr den Namen Fochkaserne, die Briten dann Saint-Andrews-Barracks beziehungsweise Pétainkaserne und Ypres Barracks – änderte sich aber grundsätzlich nicht viel. Wie auch bei den Vorgängern wurde das Areal – wenig überraschend – für militärische Übungen und zur Stationierung von Truppen genutzt.

Nachdem die britische Rheinarmee die Kaserne im Dezember 1929 aufgab, hoffte man in Wiesbaden auf eine zivile Nutzung, die sich zunächst durch die Übernahme wiederum durch die französische Armee verzögerte. Nach einem halben Jahr zog Frankreich die Soldaten jedoch ab, und das Gelände wurde umgewidmet und für die zivile Nutzung freigegeben. Es dauerte nicht lange, bis sich die ersten Betriebe niederließen. Die Kasernenräume wurden zu Wohnungen für die Zivilbevölkerung umgebaut. Selbst ein Eissalon wurde hier eröffnet, von dem die Legende kursiert, dass er das beste Eis in Wiesbaden hergestellt und verkauft habe.

Aus dem ehemaligen Hauptquartier des Militärs wurden Büroräume und Lagerstätten für die Marktleute, die auf dem nahen Exerzierplatz Obst und Gemüse verkauften – dies bis zum Jahr 1935, als Deutschland wieder aufrüstete. Die Kaserne wurde renoviert, das eine oder andere Gebäude wurde umgebaut, manches abgerissen, dafür anderes neu gebaut. Am 6. Oktober 1938 zog der Offiziersstab des 87. Regiments ein und mit ihm das 3. Bataillon. Die Kaserne erhielt den Namen Ochampskaserne nach dem gleichnamigen Ort in Belgien, in dessen Nähe die 80er im Ersten Weltkrieg gekämpft hatte.

Wie ein eigener Stadtteil

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs im Mai 1945 kamen US-Streitkräfte nach Wiesbaden, die zunächst lieber im vornehmen Hotel Rose Quartier bezogen als in den kargen Kasernenunterkünften. Dort wurden bis 1946 Flüchtlinge aus dem Osten untergebracht, die dann wieder Handwerkern weichen mussten, die Renovierungen und Neubauten vornahmen. Das ganze Areal des 30 Hektar großen Kasernengeländes erhielt den Namen des US-Bomberpiloten Darrell R. Lindsey. Die Kaserne wurde weiterhin bekannt als Hauptquartier der US-Luftwaffe für Europa in der Zeit von 1954 bis 1973. Nachdem diese ihr Hauptquartier nach Ramstein verlegt hatte, kam eine Transporteinheit in die Luftwaffenkaserne. Zu diesem Zeitpunkt waren auf dem Areal bis zu 3.500 Menschen in 110 Gebäuden beschäftigt. Da das Gelände sehr gut abgesichert war, wirkte die Kaserne wie ein eigener Stadtteil.

Vom Militär zur Polizei

Als am 9. November 1989 der Eiserne Vorhang fiel und der Osten als Signal der Entspannung die Grenzen weit öffnete, begann die westliche Allianz mit dem Truppenabbau in Europa. Folglich wurden weniger Kasernen gebraucht, und damit verlor auch das Camp Lindsey seine militärische Bestimmung. Es ging zum 1. Oktober 1993 an die Bundesvermögensverwaltung über. Die damalige Vorgängerbehörde des HPT, das Hessische Polizeiverwaltungsamt, suchte gemeinsam mit dem Hessischen Ministerium des Innern und für Sport schon seit geraumer Zeit nach einer geeigneten Liegenschaft – so wurde am 29. Dezember 1994 zum Preis von 13.361.415 D-Mark ein Teil des ehemaligen Kasernenareals erworben. Wegen Renovierungsarbeiten musste aber noch bis zum 1. Dezember 1995 gewartet werden, ehe die Beschäftigten in die neue Liegenschaft konnte.